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Schwarzerle: auffällige Kronenspitze
Wenn es kein Laubbaum wäre, könnte man sie von weitem glatt mit einer Fichte verwechseln, denn keine andere einheimische Laubbaumart hat einen so auffallend bis in die Kronenspitze gerade durchlaufenden Stamm wie die Schwarzerle [Alnus glutinosa].
In manchen Regionen wird sie deshalb auch als Fichte der Täler bezeichnet. Das ist Ästhetik in der Natur und auch deswegen wurde die Schwarzerle zum Baum des Jahres 2003 gewählt.
Der wichtigste Nachteil gegenüber Konkurrenten ist ihr relativ geringes Alter von nur maximal 100 bis 120 Jahren.
Dennoch können maximale Stammdurchmesser von circa 1 Meter und Höhen bis zu 35 Metern erreicht werden.
Die dickste bekannte Schwarzerle steht im Nationalpark auf dem Darß in Mecklenburg-Vorpommern mit 1,57 Metern Durchmesser in 1,30 Metern Stammhöhe.
Schwarzerle: auffällige Kronenspitze
Unverwechselbar wird diese Erlenart durch ihre Blätter, bei denen die Designer einfach die Spitze vergessen haben.
Und auch auf eine Herbstfärbung wird man vergeblich warten, denn die Blätter trocknen grün am Trieb etwas ein und werden dann abgeworfen.
Auffällig ist der bereits im Frühsommer einsetzende grüne Blattfall, bei dem bis zur Hälfte aller Blätter vorzeitig abgeworfen werden können.
Dabei handelt es sich immer um die ersten und untersten Blätter der Jahrestriebe, die von den später erscheinenden, oberhalb befindlichen so beschattet werden, dass sie nicht mehr überleben können.
Es handelt sich also nicht etwa um ein Schadsymptom, wie immer wieder zu lesen ist, sondern um eine eindrucksvolle Folge von dem extrem hohen Lichtbedarf dieser Baumart.
Schwarzerle: Blüten und Früchte
Die Schwarzerle erreicht ihr Blühalter schon unter 10 Jahren. Die unscheinbaren Blüten sind windbestäubt und eingeschlechtig, es kommen aber beide Geschlechter auf einem Baum vor, was botanisch als Einhäusigkeit bezeichnet wird.
Die männlichen Blüten befinden sich in circa 5 bis 10 Zentimeter langen hängenden Kätzchen, die weiblichen sind viel kürzer und stehen aufrecht.
Sowohl die männlichen als auch die weiblichen Kätzchen überdauern den Winter ungeschützt und sind daher schon ab Frühsommer des Vorjahres sichtbar, obwohl sie erst im nächsten Frühjahr blühen.
Dabei gehört die Schwarzerle zu den im Jahreslauf am frühesten blühenden heimischen Baumarten, die Heuschnupfen Empfindlichen wissen das ganz genau.
Während des Heranreifens der Früchte verholzt der Fruchtstand und wird, für einen Laubbaum schon wieder sehr ungewöhnlich zu einem Zapfen.
Die winzigen Früchte haben Auswüchse, die luftgefüllt sind und als Schwimmpolster dienen. Sie fallen vom Herbst bis zum Frühjahr aus den Zapfen und werden vom Winde verweht oder mit dem Wasser verbreitet, worin sie bis zu 12 Monate lebensfähig bleiben.
Die Wasserverbreitung ist sehr effektiv, da sowohl die Entfernungen als auch die Wahrscheinlichkeit, einen gut wasserversorgten Rohboden zu finden, groß sind.
In der Regel gibt es jedes Jahr reichlich Früchte.
Schwarzerle: Herzwurzelsystem
Zum deutschen Namen der Schwarzerle hat die im Alter zerklüftete, dunkle Schuppenborke geführt.
Die Schwarzerle entwickelt ein sehr tiefreichendes, wegen seiner Form so genanntes Herzwurzelsystem und vermag auch ausgesprochen schwere Tonböden zu erschließen.
Dieses dringt auch in ganzjährig vom Grundwasser beeinflusste Bodentiefen vor.
Die dadurch erschwerte Luftversorgung der Wurzeln wird durch auffallend große Öffnungen in der Rinde, sogenannte Lentizellen und Luftkanäle im Holz sichergestellt, die sich an der Stammbasis und den oberflächennahen Wurzeln befinden.
Erst eine lange Überschwemmung auch der Stammbasis kann zum Absterben der Erlen führen. Oder eine lange Austrocknung.
Schwarzerle: Wurzelanschwellung
Denn eine weitere Besonderheit der Erle ist das Vorkommen von Wurzelanschwellungen, Rhizotamnien, knollenartige Gebilde von Stecknadelkopfgröße bis zur Größe eines Apfels.
Diese Wurzelknöllchen, die sich nur in den oberen Bodenhorizonten finden lassen, beherbergen Bakterien, die Luftstickstoff binden können.
So kann sich die Erle mit diesem wichtigen Nährstoff direkt aus der Luft selbst versorgen. Werden Erlen mit solchen Knöllchen und andere ohne diese in stickstofffreier Nährlösung kultiviert, sterben die Bäume ohne Knöllchen nach kurzer Zeit ab, während die anderen normal weiterwachsen.
Die Mikroorganismen können in den Wurzelknöllchen besonders effektiv arbeiten, da sie vom Wirt, der Erle, mit Zuckerlösung aus der Photosynthese ihrer Blätter versorgt werden.
Der Baum investiert also einen Teil seines Energiegewinns, um sich von der Stickstoffversorgung aus dem Boden weitgehend unabhängig zu machen.
Wenn man bedenkt, dass die Luft zu 78 Prozent aus Stickstoff besteht, kann man erahnen, welches bedeutende Potenzial sich damit der Erle eröffnet.
Es wurden Werte von bis zu 200 Kilogramm in den Knöllchen gespeichertem Stickstoff pro Hektar und Jahr errechnet, was einer landwirtschaftlichen Volldüngung entspricht.
Daher hat es die Erle auch nicht nötig, vor dem Laubfall die Inhaltsstoffe aus den Blättern abzuziehen. Was zur Folge hat, dass die Blätter grün abfallen.
Die daher auch sehr stickstoffreiche Laubstreu kann besonders rasch zersetzt werden und ist bereits im späten Frühjahr des Folgejahres vollständig verschwunden. Ein Leckerbissen für die Zersetzer.
Schwarzerle: auch nasse Standorte
Die Schwarzerle besitzt wie keine andere heimische Baumart die Fähigkeit, nasse Standorte zu besiedeln und wird aufgrund ihrer Konkurrenzschwäche ganz brutal auf diese Standorte verdrängt.
Möglich wird ihr dort das Überleben nur wegen ihrer oben beschriebenen Fähigkeit des Lufttransportes in die Wurzeln.
Dadurch bildet sie dann die natürliche Nässegrenze des Waldes.
Die Erle erträgt aber nicht nur Dauernässe, sondern sie hat andererseits auch sehr hohe Ansprüche an die Wasserversorgung, ja sie gilt als die Baumart mit der höchsten Verdunstung, noch mehr als Birke oder Weide.
Mit diesen Eigenschaften ist die Schwarzerle eine typische Pionierbaumart auf nassen Standorten. Die Baumart ist in fast ganz Europa heimisch.
Sie gilt als Baumart der tiefen Lagen, steigt aber auch bis in mittlere Gebirgslagen auf.
In Deutschland finden sich größere zusammenhängende Bestände nur noch in der nordostdeutschen Tiefebene, wie zum Beispiel im Spreewald südlich von Berlin.
Schwarzerlen und Eschen
Die Schwarzerle tritt von Natur aus vor allem in zwei Waldgesellschaften auf. Die Bach Erlen Eschenwälder zählen zu den Auenwäldern, begleiten viele Fließgewässer, werden regelmäßig überschwemmt und dabei mit Nährstoffablagerungen aus dem Fluss versorgt.
Obwohl sie dort ihr bestes Wachstum zeigt, muss sie sich diese Standorte mit der Esche teilen.
Konkurrenzlos herrscht die Schwarzerle hingegen im sogenannten Erlen Bruchwald, der sich dadurch auszeichnet, dass der Grundwasserstand ganzjährig sehr hoch ist und nur wenig schwankt.
Der Boden bleibt daher fast immer nass und wird fast regelmäßig nur im zeitigen Frühjahr, während der Schneeschmelze überschwemmt, wobei im Gegensatz zu Auenwäldern aber keine Nährstoffe zugeführt werden, da das Wasser nicht fließt.
Die wenigen verbliebenen, von der Schwarzerle beherrschten, grundwasserbeeinflussten Bruchwälder gehören zu den Waldgesellschaften mit der höchsten Anzahl seltener und gefährdeter Pflanzen- und Tierarten.
Die erlenreichen Wälder sind in ihrem Bestand allesamt leider stark zurückgegangen.
Gefährdung durch Entwässerung
Als Gefährdungsursache dieser Lebensräume gelten im wesentlichen Entwässerungsmaßnahmen. So überrascht es nicht, dass diese Waldgesellschaften in den Roten Listen gefährdeter Biotoptypen auftauchen.
Die Schwarzerle bietet Lebensraum für über 150 Insektenarten, alleine 75 Schmetterlingsarten, mehrere Dutzend Vogelarten und über 70 Großpilzarten.
Einige davon schädigen die Baumart, andere ernähren sich nur von absterbenden Pflanzenteilen und bilden mit ihr eine Lebensgemeinschaft, zum beiderseitigen Vorteil.
Interessant anzusehen ist zum Beispiel der Erlenrüssler, wunderschön der glänzende Blaue Erlenblattkäfer, der kann allerdings einen Kahlfraß verursachen.
Der Erlenschillerporling zeigt von den Pilzarten die höchste Stetigkeit in Erlen Beständen. Die Früchte der Schwarzerle, die als Wintersteher sehr lange am Baum verbleiben, dienen in dieser Jahreszeit vielen Vogelarten als wichtige Nahrungsquelle, zum Beispiel Erlen- und Bergzeisig sowie Stieglitz.
Schwarzerle und Erlensterben
Die Schwarzerle ist in vielen Gebieten von einer Krankheit befallen. Anzeichen der Krankheit sind schüttere, stark blühende und zurücksterbende Kronen mit Pinselstrukturen sowie fleckige schwarzbraune Verfärbungen am Wurzelanlauf und am unteren Stammbereich.
Was ist die Ursache für dieses neuartige Erlensterben, das erst 1993 entdeckt wurde und bei dem ganze Erlenbestände innerhalb weniger Jahre absterben können?
Verursacher ist ein winzig kleiner pilzähnlicher Organismus mit dem Namen Phytophthora, dessen Sporen sich mit Hilfe von Geißelhaaren aktiv im Wasser ausbreiten können und in die Erle eindringen.
Dann stirbt meist zuerst die Rinde nahe dem Stammfuß und schließlich der ganze Baum ab.
Schwarzerle: Vorkommen bewahren
Nach dem derzeitigen Kenntnisstand scheint es, dass die Natur ein genetisches Experiment veranstaltet hat mit grausamen Folgen, die auch uns Menschen über die Risiken der Gentechnik zu denken geben sollten.
Zwei zuvor für die Erle unbedeutende Krankheitserreger haben sich miteinander gekreuzt und dabei herausgekommen ist ein Organismus, der in seiner Gefährlichkeit alle Verwandten in den Schatten stellt und gegen den die Erle bisher kaum Abwehrstrategien entwickeln konnte, weil er absolut neu ist.
Und nun wird dieser Baumart ihr natürlicher Lebensraum an Gewässern und in Sümpfen zum Verhängnis, denn ausgerechnet hier kann sich der Erreger optimal, nämlich mit dem Wasser, ausbreiten.
Nach diesem Kenntnisstand kommt allen, die für die Ausbreitung dieser Baumart sorgen wie zum Beispiel Baumschulen, Forstbetrieben, Grünflächenämtern sowie Garten- und Landschaftsbaubetrieben gerade im Jahr 2003 eine große Verantwortung zu.
Nämlich dafür Sorge zu tragen, dass nicht mit dem Erreger infizierte Pflanzen verbreitet werden.
Nur ein Labortest kann hier die notwendige Sicherheit verschaffen. Dies ist wohl die wichtigste [über]lebensnotwendige Botschaft, die es im Jahr der Schwarzerle bekannt zu machen gilt.
Nutzung der Schwarzerle
Zunächst zum Erlenholz: es lässt keinen farblich abgesetzten Kern erkennen, die Jahrringe treten kaum hervor.
Die auffallend blutrote Färbung der frischen Schnittflächen nach dem Fällen hat zu der Legende geführt, dass Erlen bluten.
Die Rotfärbung entsteht durch Sauerstoffreaktion von Zellinhaltstoffen. Die auf dem Querschnitt ebenfalls auffallenden rötlich braunen Flecken sind die Fraßgänge einer Fliegenlarve, die so regelmäßig auftreten, dass sie als Bestimmungsmerkmal genutzt werden können.
Das Holz ist gut zu trocknen, arbeitet und reißt wenig, lässt sich leicht und sauber bearbeiten.
Es wird als Massivholz in der Kunst- und Möbeltischlerei eingesetzt, aber auch häufig zu Furnieren verarbeitet, da es eine sehr feine Zeichnung aufweist und sich zudem leicht färben und beizen lässt.
Die Schwarzerle war früher der Holzschuhbaum, im Oldenburgischen Holschenboom wegen der häufigen Verwendung des Holzes für diesen Zweck.
Auch für Küchengeschirr und Schusterleisten sowie zur Bleistiftherstellung wurde es genutzt. Seit 2015 werden Spanplatten daraus hergestellt.
Als Bauholz soll es seine beste Eignung und Dauerhaftigkeit haben, wenn es zwischen dem 15. August und 8. September eingeschlagen wird.
Dies ist jedoch auf den meist nassen und empfindlichen Standorten technisch nur sehr schwer ohne Befahrungsschäden zu lösen. In der Regel findet daher ein Wintereinschlag bei Boden frost statt.
Schwarzerle: Dauerhaftigkeit
In Wasser verbaut zeigt Erlenholz eine besonders große Dauerhaftigkeit und wird daher gerne für Wasserbauten, Mühlenbalken, Wasserleitungsröhren und Stalldielen verwendet.
Halb Venedig steht auf Erlenpfählen, die andere Hälfte steht auf Eichenpfählen. Der mittlere Heizwert des Holzes macht es auch zu einer brauchbaren Energiequelle, es liefert vor allem gute Holzkohle.
Trotz der genannten Verwendungsmöglichkeiten stand das Holz der Schwarzerle auf den Märkten lange Zeit deutlich im Schatten anderer Holzarten und wurde von den Sägewerken als Bestandteil von Sammelkäufen überwiegend nur geduldet.
2015 ist jedoch das Interesse der Möbelindustrie und anderer Holzverbraucher an hochwertigem Erlenholz deutlich gestiegen, so dass für Erlensägeholz oder -furniere inzwischen hohe Preise erzielt werden können, was diese Baumart auch für die Forstwirtschaft wieder attraktiv macht.
Schwarzerlen bei Müdigkeit
Schwarzerlenpflanzungen werden in der Ingenieurbiologie gerne zum Schutz vor Erosion eingesetzt. Sie dienen mit ihrem intensiven Wurzelwerk, das auch unter die mittlere Grundwasserlinie reicht, der dauerhaften Uferbefestigung von Bächen und Flüssen.
Wie wichtig das sein kann, hat das Hochwasser vom August 2002 überdeutlich gemacht. Wegen ihrer standortverbessernden Eigenschaften wurden Erlen bisweilen auch in landwirtschaftlichen Mischkulturen eingesetzt.
Zum Beispiel mit Hirse, oder auch heute noch im Waldbau als Vorwald für anspruchsvollere Baumarten.
Die besonders gerbstoffreichen Blütenstände sowie die Rinde wurden zum Ledergerben und zum Wollefärben genutzt, die Zapfen auch zur Herstellung von dauerhaft schwarzer Tinte und für Frühlingsgestecke.
Bis ins 18. Jahrhundert fing man Mücken mit aufgehängten jungen, noch klebrigen Erlenzweigen.
In der Heilkunde hat die Schwarzerle bisher keine große Bedeutung gehabt. Blätter und Rinde ergeben gerbstoffhaltige Drogen, die äußerlich bei Geschwüren, Beulen und Verwundungen Verwendung finden.
Innerlich angewendet helfen sie bei Rheuma, Hals- und Mandelentzündung, Angina und Darmblutungen. Blätter und Rinde gelten als fiebersenkend, geglättete Blätter auf wunde Füße gelegt können Wunder bewirken.
Bei Müdigkeit und Niedergeschlagenheit hilft es bisweilen, eine Erle aufzusuchen: sie macht einen wieder fit für all die sonstige Härten des Lebens.
Ballade vom Erlkönig
Der viel verwendete deutsche Name Roterle geht auf die beschriebene rötliche Verfärbung des saftfrisch geschnittenen Holzes zurück.
Er ist jedoch abzulehnen, da er zu Verwechslungen mit der in Nordamerika heimischen Alnus rubra, der richtigen Roterle, führt.
Weitere im deutschsprachigen Raum gebräuchliche Bezeichnungen der Schwarzerle sind Eller oder Else. Orts- und Flurnamen, die auf die Schwarzerle zurückgehen, sind beispielsweise Irlach und Ellern.
Die bekannte Ballade vom Erlkönig hat eigentlich nichts mit dem Baum zu tun, da es sich vielmehr um einen Übersetzungsfehler Herders von dem dänischen ellerkonge, Elfenkönig handelt, den Goethe übernommen hat.
Vieles in der Mythologie, was um die Schwarzerle entstanden ist, hat damit zu tun, dass sie vorzugsweise auf nassen, sumpfigen Standorten vorkommt.
Dort war sie den Menschen daher seit jeher etwas unheimlich. Wehe dem, der auf ihre Irrlichter hereinfiel.
So fürchteten Wanderer, vom Wege abzukommen und dem unheimlichen Erlenweib zu begegnen, das sie aus Hinterlist in den dunklen Sumpf ziehen könnte, das Erlenweib wurde mit Hexerei in Verbindung gebracht.
In einer Erlenlandschaft soll es demzufolge Hexen mit Haaren so blutrot wie das frisch gefällte Holz gegeben haben. [FBdJ, Free Photos]
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