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Silberweide: ein besonderer Pionierbaum
Die Silberweide [Salix alba] erkennt man vor allem an ihrer schon von weitem sichtbaren silbrigen Behaarung, die blattunterseits und an den noch wachsenden Triebspitzen bis zum Herbst erhalten bleibt.
Außerdem an ihrem Habitus: ein einige Meter durchgehender, senkrechter, oft tief beasteter Stamm, der sich erst allmählich auflöst und mit steilen Ästen eine mächtige Krone entwickelt.
Dieser einmalige Baum würde aufgrund seiner Besonderheiten zum Baum des Jahres 1999 gewählt.
Die Silberweide: ein Gewässerfreund
Den schraubig stehenden Blättern sieht man ihren Naturstandort an Gewässern sofort an: lang und schmal wie ein Paddelboot, so dass sie sich im Wasser gut der Strömung anpassen können.
Bei der Silberweide weisen die Blätter am Blattstielende und am gezähnten Blattrand Drüsen auf, die eher bei anderen Arten für aromatischen Geruch sorgen können.
Die silbrige Behaarung ist ein hervorragender Verdunstungs- und Strahlungsschutz, womit sich die Silberweide zeitweiliger Trockenheit und der extremen Einstrahlung an Gewässerrändern angepasst hat.
Knospen der Silberweide
Weiden weisen nur eine Knospenschuppe auf, wodurch sie sich eindeutig von allen anderen heimischen Gehölzgattungen unterscheiden lassen.
Die Knospen der Silberweide sind zudem seidig behaart und fast zweischneidig zusammengedrückt. Unter besonders günstigen Umständen werden sogenannten Nebenknospen beiderseits der Hauptknospe ausgebildet, um noch schneller auf alles reagieren zu können.
Die meisten Weidenarten sind Sträucher, die Silberweide ist eine der wenigen Ausnahmen mit baumförmigem Wuchs, sie ist mit etwa 30 Meter Höhe unsere größte heimische Weidenart.
Die Weiden gehören gemeinsam mit den Pappeln zur Familie der Weidengewächse, für die eingeschlechtige Kätzchen charakteristisch sind, das heißt es gibt nur rein weibliche oder rein männliche Blütenstände.
Und nicht nur das, zudem existieren auch am ganzen Baum bei dieser Familie nur weibliche oder männliche Blüten, so dass man nur Weidenfrauen oder Weidenmänner findet und dies botanisch als Zweihäusigkeit bezeichnet.
Blüte der Silberweide
Die Blüten der Silberweide sind wie bei allen Weidenarten extrem einfach aufgebaut. Es fehlt alles, was zur Bestäubung nicht unbedingt notwendig ist, zum Beispiel die gesamte Blütenhülle [Kelch- und Kronblätter], so dass die etwa 5 Zentimeter langen Blütenkätzchen relativ unauffällig sind.
Da Weiden aber insektenbestäubt sind und daher Insekten anlocken müssen, versuchen einige Arten den Mangel durch auffällige Färbung der Staubbeutel auszugleichen, nicht jedoch die Silberweide: sie blüht relativ unscheinbar im April oder Mai mit dem Laubaustrieb, die Kätzchen fallen daher erst bei genauerem Hinsehen auf.
Die Blüten sondern aber Nektar ab, was den Insekten bekannt ist und den sie riechen können.
Der einfache Blütenaufbau, mit einem Fruchtknoten bei weiblichen und zwei Staubblättern bei männlichen Exemplaren wird heute so interpretiert, dass die Weiden erdgeschichtlich nicht etwa als besonders ursprünglich einzuordnen sind.
Sie sind gerade im Gegenteil als besonders jung, durch im Laufe der Evolution erfolgte immer stärkere Reduktion auffälliger Blütenbestandteile.
Die sich rasch entwickelnden Früchte sind Kapseln, welche im Frühsommer am Baum aufplatzen und die mit Flughaaren versehenen Samen entlassen.
Wenn die Luftreise auf feuchten Stellen oder bei feuchter Witterung zu Ende geht, verkleben die Haare und der Same fällt aus dem Haarschopf heraus.
Zweihäusigkeit und Allergien
Die Zweihäusigkeit kann erhebliche Auswirkungen auf die Verwendung von Gehölzen haben: manchmal wird man zum Beispiel wegen Heuschnupfen, Empfindlichkeit nur weibliche Exemplare in seinem Garten haben wollen, bei anderen Verwendungen nur männliche, wie wenn die Früchte als lästig empfunden werden.
Beides dürfte jedoch bei den Weiden bedeutungslos sein, da sie von Insekten bestäubt werden und daher nicht zu Heuschnupfen führen können.
Die zur Fruchtreife einige Tage durch die Luft fliegenden Wattebäusche zu Büscheln vereinigte, fedrig behaarte Samen wird man verkraften können.
Sie wurden früher zum Füllen von Kissen verwendet. Außerdem fliegen diese Watteknäuel, für die Weide erfreulich und gewollt bis zu 50 Kilometer weit, typisches Kennzeichen einer Pionierbaumart, ebenso die große Zahl der Samen: es können Millionen sein.
Silberweide: ein besonderer Pionierbaum
Damit solche Distanzen auf der Suche nach neuen Besiedlungsflächen überbrückt werden können, müssen die Samen sehr leicht sein.
Das hat aber zur Folge, dass sie nicht wie Eicheln größere Mengen an Reservestoffen enthalten, die über die erste Zeit nach der Keimung hinweghelfen können, sondern im Gegenteil: entweder können Weidensamen sofort nach der Landung keimen oder es ist vorbei.
Ein gewagtes Vorgehen, aber für die Existenz von Weiden entscheidend. Wenn im Verlauf von Flüssen, im naturnahen Zustand ständig neue Uferbereiche und Inselchen entstehen, sind nämlich die Weiden, so auch die Silberweide, mit als erste zur Stelle und besiedeln diese Flächen oft zunächst im Reinbestand.
Allerdings benötigen Weiden soviel Licht zum Wachsen, dass sie sogar unter sich selbst nicht wieder keimen können.
Das führt dazu, dass sie im Verlauf der weiteren Entwicklung der Vegetation [Sukzession] von schattentoleranten Baumarten verdrängt werden.
Weiden sind also typische Pionierbaumarten, die immer wieder neue Flächen zur Besiedlung benötigen.
So kann man auch einen Weidenbestand im Naturschutz nicht einfach durch Nichtstun schützen: er würde selbst sein Ende herbeiführen.
Dazu trägt auch die nicht gerade hohe Lebenserwartung der Weiden bei, bei vielen Arten deutlich unter 100 Jahren.
Hier bildet die Silberweide eine wichtige Ausnahme mit bis zu 200 Jahren Höchstalter und bis über 1 Meter Stammdurchmesser. Der Stamm ist in höherem Alter allerdings meistens hohl.
Weiden und Flüsse
Die Silberweide kommt in fast ganz Europa natürlich vor aber auch bis hin nach Vorderasien und Nordafrika und ist ein Baum der Tieflagen selten steigt sie bis etwa 1000 Meter hoch.
Sie ist gemeinsam mit Pappeln und Erlen der wichtigste Baum der sogenannten Weichholzaue am Mittel- und Unterlauf der Flüsse, die ihren Namen wegen des weichen Holzes der beteiligten Baumarten trägt und auf periodisch länger überflutete Bereiche mit stärkerer Strömungsbelastung und Sedimentation hinweist.
Hier gibt es im tiefsten Uferbereich die Pflanzengesellschaft des Silberweidenwaldes, so dass sich entlang größerer, naturbelassener Flüsse oft ein silbernes Band durch die Landschaft zieht.
Eine wichtige Eigenschaft ist an diesen Standorten auch die relative Resistenz gegen Rindenbeschädigung, durch Eisgang und mit Hoch- wasser transportierte Gegenstände.
Die Weide ist neben der Erle die einzige Baumgattung, die mit ihren Wurzeln unter die mittlere Grundwasserlinie geht, da sie ein besonderes Durchlüftungsgewebe ihrer Wurzeln entwickelt.
Sie bildet dann Wurzelzöpfe ins fließende Wasser aus.
Pflege der Silberweide
Als Pionierbaum sind Weiden raschwüchsig: Jahrestriebe von einem Meter und mehr sind nichts ungewöhnliches, was nur noch von Pappeln übertroffen wird.
Allerdings hält dieses intensive Wachstum nicht allzu lange an, so dass sie trotzdem nicht höher als andere Bäume werden.
Man macht oder richtiger: machte sich diese Eigenschaft besonders bei der baumförmigen Silberweide zunutze, indem man sie köpfte.
Dann treibt sie dutzendfach an der Köpfungsstelle aus, und diese besonders intensiven Austriebe kann man vorzüglich für die Korbflechterei verwenden.
Dies ist die Ursache für die noch hier und da verbliebenen Kopfweiden in der Landaschaft, die heute allerdings leider nicht mehr zum Körbeflechten, sondern nur noch als vielerorts einmal landschaftsprägendes Element erahlten werden, sofern das nötige Geld daür bereitgestellt wird.
Unterbleibt diese mindestens alle 10 Jahre erforderliche Pflege, werden die vielen Austriebe bald so stark, dass der Baum früher oder später auseinanderbricht.
Daher sind leider viele der Kopfweiden bereits aus der Landschaft verschwunden, wenn sie nicht einfach irgendwo im Weg standen und deshalb beseitigt wurden.
Silberweiden sorgen für Nachzügler
Die Pioniereigenschaften der Weiden führen auch dazu, dass sie Extremstandorte besiedeln und so für anspruchsvollere Gehölzarten vorbereiten können und damit eine äußerst wichtige Funktion erfüllen.
So leiteten sie auch nach den Eiszeiten die Wiederbewaldung ein. Ihre sehr leicht und gut zersetzliche Streu trägt dazu bei, die Humusform entscheidend zu verbessern.
Aus diesem Grund sieht man heute in der naturnahen Forstwirtschaft Weiden auch nicht mehr wie noch bis vor einem Jahrzehnt als Unkraut an und beseitigt sie, sondern lässt einen gewissen Anteil im Nebenbestand mitwachsen, der sich dann günstig auf die anderen Baumarten auswirkt.
Außerdem wird jetzt in der Forstwirtschaft auch wieder stärker berücksichtigt, dass Weiden eine wichtige Bienentracht und Nahrungsgrundlage vieler vom Aussterben bedrohter Schmetterlingsraupen sind.
Biber mögen die Rinde der Silberweide besonders gerne.
Weiden sind Lichtbaumarten
Weiden sind Lichtbaumarten, das bedeutet sie benötigen viel Licht und lassen auch sehr viel Licht durch ihre Krone hindurchfallen.
Eine bemerkenswerte Eigenschaft hilft ihnen, dies zu erreichen: sie werfen Zweige auch im Sommer als sogenannte Absprünge ab.
Das sind belaubte Zweige, die an einer eigens dafür entwickelten Trennzone in der Zweigbasis aktiv abgeworfen werden, mit grünen Blättern daran.
Dies führt bisweilen dazu, dass man eine Krankheit vermutet. Es handelt sich aber um einen Mechanismus, mit dem die Weiden zu große Beschattung ihrer eigenen Blätter verhindern und zudem für vegetative Ausbreitung sorgen:
Die Absprünge fallen im Idealfall ins Wasser, werden fortgetrieben und weiter entfernt wieder ans Ufer gespült, wo sie sich bewurzeln können und so zur Ausbreitung der Art beitragen.
Diese Eigenschaft macht man sich im Wildbachverbau zunutze, indem man dort Weidenzweige an zu befestigende Ufer legt oder steckt, so dass diese nach Bewurzelung zur Böschungssicherung beitragen.
Bei einer anderen Weidenart, der Knackweide, haben die Absprünge sogar zum Namen beigetragen: die Zweige springen bisweilen mit einem knackenden Geräusch aus der Krone, das man auch leicht künstlich erzeugen kann durch Anstoßen dieser Zweige.
Weiden und Ostern
Genutzt wird bei Weiden seltener das weißgraue Holz mit braunem Kern für Werkzeugstiele, Kricketschläger, Prothesen, Holzschuhe, heute aber wohl meist als Brennholz oder zur Papierherstellung.
Häufiger werden die Zweige zum Flechten, zum Wildbachverbau oder zur schnellen Bepflanzung von Dämmen und Böschungen verwendet. Dabei kann man sich drei Eigenschaften der Weide zunutze machen:
- die Biegsamkeit des Holzes,
- die Ausschlagfreudigkeit nach Absägen und
- die hohe Bewurzelungsfähigkeit.
Besonders eindrucksvoll können Sie dies selbst bei Ostersträußen mit Weidenzweigen ausprobieren und dadurch auf einfachste Weise überall für eine bleibende Erinnerung an den Baum des Jahres 1999 sorgen.
Man stellt die vor dem Austreiben frisch geschnittenen Zweige einer Silberweide, mit Ostereiern und Schokoladenhasen behängt in eine mit Wasser gefüllte Bodenvase in die Wohnung, und nach 14 Tagen haben sie sich bewurzelt und man kann sie rauspflanzen.
Von Vorderasien und Napoleon
Dabei brauchen sie nicht über ein sofort einsetzendes, vorübergehendes Abwerfen der Blätter bestürzt zu sein, da diese Sonnenbrand bekommen und durch raschen Neuaustrieb wieder ersetzt werden.
Für ihre Verwendung in der Landschaft spricht auch die wunderbare Verfärbung der Zweige im Frühjahr, besonders ausgeprägt bei einer Varietät der Silberweide, der Dotterweide.
Sie färbt ihre Zweige ab März leuchtend gelb, was uns Hoffnung auf das nahende Frühjahr macht.
Weiden können dann geradezu fröhlich aussehen, während die hängenden Zweige einer weiteren Varietät, der Trauerweide, eher etwas Malancholisches verbreiten.
Es wird berichtet, dass ein Zweig der Trauerweide um 1700 als Paketschnur aus Vorderasien in Mitteleuropa eigetroffen und sich nach ihrem Wegwerfen bewurzelt haben soll.
Sicherlich bei den damaligen Transportgeschwindigkeiten undenkbar, aber immerhin ein schöner Hinweis auf das unübertroffene Ausschlagvermögen dieser Gattung.
Napoleon war von einer auf St. Helena im Atlantik wachsenden Trauerweide so angetan, dass er unter ihr begraben werden wollte.
Dadurch ist dieser Baum schnell populär geworden. Silberweiden, besonders Kopfweiden dienen oft als Mutterpflanze für sogenannte Aufsitzerpflanzen, die sich durch Vögel verbreitet in Astgabeln ansiedeln, wie Holunder, Bittersüßer Nachtschatten und dort jahrelang am Leben bleiben können.
Sie sollten solche Aufsitzerpflanzen einmal suchen gehen. Kopfweiden sind zudem wichtiger Nistplatz und Brutbiotop zum Beispiel für Steinkauz, Gartenrotschwanz, Grauschnäpper, Kleinspecht und Feldsperling.
Weidenlegenden
Der Name Weide geht auf eine indogermanische Wurzel mit der Bedeutung biegsam zurück, womit die Zweige gemeint sind.
In vielen Sagen und Rechtsbräuchen erscheint die Weide als Baum der Unfruchtbarkeit, der Ehrlosigkeit, der Trauer und des Todes.
Gespenster verwandeln sich in Weiden, der Weidezwerg ist das Zepter von Hexen. Wer hat es nicht schon erlebt, an einem nebligen Novembermorgen eine fürchterliche Gestalt mit aufgedunsenem Kopf und wild zu Berge stehenden Haaren vor sich aus dem Nebel auftauchen zu sehen?
Um dann festzustellen, dass es keine Hexe, sondern eine Kopfweide war. Die Weide war der Hexenbaum, und wenn eine Frau nachts in ihrer Nähe gesehen wurde, war sie verdächtig.
Unter oder an Weiden haben viele bekannte Gestalten früherer Zeiten ihen Tod gefunden: Judas Ischariot, Karoline von Günderode, Desdemona, Ophelia unter anderem.
Naturheilverfahren
Aber auch anderes wird berichtet, so zum Beispiel dass man durch Verknotung von drei Weidenzweigen Krankheiten auf diesen Baum übertragen und dadurch gesund werden kann.
In einem Kinderlied wird die Weide als lebensrettend beschrieben, indem man sich an ihren Zweigen festhält und so nicht ins Wasser stürzt.
Weiden sind auch der Baum der Fruchtbarkeit, Wiedergeburt und Erneuerung.
Die Weide spielt bis heute in allen Naturheilverfahren eine wichtige Rolle und ist der Klassiker unter den Schmerzmitteln.
Bereits bei Hippokrates war ihre Wirkung gegen Schmerzen und Fieber bekannt, schon Hildegard von Bingen empfahl im 12. Jahrhundert Weidenrindentee gegen Fieber, Gicht und Gelenkreumatismus.
Im 17. Jahrhundert wurde überall die Rinde zur Medikamentenherstellung für Rheuma- oder Gichtheilmittel verwendet.
Die Weiderinde enthält das Salicin, das nach der Magen Darm Passage im Blut und in der Leber nach und nach, das heißt verträglich ohne Nebenwirkung in die wirksme Salicylsäure umgewandelt wird.
1899 gelang die synthetische Herstellung der Salicylsäure und aus ihr später die Entwicklung des Aspirins, das allerdings Nebenwirkungen hervorrufen kann.
Der Trend geht daher heute wieder in Richtung Naturprodukt, also vor allem zu rein natürlichen Weiderindenextrakten. [FBdJ, Tim Sheerman-Chase Foto]
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